Gedanken
Noch so ein Sommer
Dieses Jahr trauen wir uns. Sommerurlaub, trotz Pandemielage, an der See: Die endlose Weite des Meeres, breite Strände mit weißem Sand, Dünen und Seeluft - die Vorfreude ist gewaltig, die Aufregung ebenso. Gefühlt, wissen wir gar nicht mehr, wie das geht, so eine Urlaubsvorbereitung.
Dann kommt die Zeit zum Packen, die Koffer werden gerichtet, alles wird mehrfach überprüft, Tickets für den Zug, Testergebnisse für die noch nicht gänzlich Geimpften…
Der vorletzte Abend ist der aufregendste. Koffer und Taschen stehen bereit, letzte Absprachen, letzter Check, Häkchen, Häkchen, Häkchen, die Stimmung steigt!
Und dann der Anruf: Das Leben kommt dazwischen, die Gastgeber müssen in Quarantäne, alles storniert, es tue allen sehr leid, gerne später, ein anderes Mal…
Tiefer Fall aus der Euphorie. Wir stehen vor den Koffern, ziemlich unbeholfen und organisieren rückwärts, was nötig ist.
Am nächsten Tag, der tiefe Fall fühlt sich inzwischen an wie ein ausgewachsener Kater, pflegen alle ihr persönliches Tief auf ihre Weise. Koffer möchte keiner auspacken. Der graue Himmel mit dem Nieselregen umrahmt die gedämpfte Stimmung und verstärkt sie noch.
Am späten Nachmittag fange ich dann doch an, die Koffer und Taschen auszupacken und räume alles wieder an seinen Platz. Bei der Gelegenheit sortiere ich gleich noch einige Schrankfächer und Schubladen neu, räume alles aus. Und da finde ich in einer der Schubladen eine Muschel. Eine Muschel, aufgelesen vor elf Jahren am Mittelmeer, in Andalusien, an der Costa de la Luz, der Küste des Lichtes. Sie verkörpert alles, was ich mit diesem Sommerurlaub verbunden hatte. Sie liegt bräunlich golden in meiner Hand, hat ein Loch an der oberen Kante, perfekt, um sie zu einem Kettenanhänger verarbeiten zu können. Ich erinnere mich, davon vor elf Jahren kiloweise gesammelt und mitgenommen zu haben.
Auf dem Dachboden verstaue ich die Koffer und dort finde ich auch die Muschelsammlung wieder. Und weiteres Strandgut: Ziegelsteinreste, die schön poliert ans Ufer geschwemmt wurden, aufgesammelt am Marmarameer, weitere Steinchen mit Löchern und ausgewaschene Ästchen von Stränden an der Nordsee. Vorgesorgt, für magere Zeiten, denke ich mir und freue mich.
Als alles so ausgebreitet vor mir liegt, lichtet sich meine innere Wetterlage. Fünf Internet-Tutorials später, weiß ich was ich machen werde und schreite zur Tat. Ein Makramee Wandbehang!
Während des Knüpfens kam auch die Sonne wieder durch.
Nun habe ich also unerwartet ein neues Hobby. Sollte es Menschen geben, die ebenfalls Lust haben, einmal in der Gruppe zu knüpfen, einfach im Gemeindebüro melden. Je nach Coronalage und Vorschriften finden wir gewiss eine Möglichkeit, dies umzusetzen.
Idil Rack