Gedanken
Erwartungen
Kennen Sie das? Sie sind am Ende eines zufriedenstellenden Arbeitstages angekommen und während sie die letzten Handgriffe erledigen, bemerken Sie einen leichten Anflug von Hunger. Sie überlegen, was Sie denn nachher gerne essen würden und da erscheint vor Ihrem inneren Auge das Bild eines nett gedeckten Tisches, mit Wiener Würstchen, leckerem Senf und Ihrem Lieblingsbrot. Sie freuen sich und stehen Minuten später vor dem Supermarkt Ihrer Wahl, denn die Wiener Würstchen, die Ihnen vorschweben, müssen Sie erst noch kaufen.
Mir ging es jedenfalls vor Kurzem so. Ich ging dann, vom Hunger inzwischen schon leicht fahrig, in den Supermarkt hinein und habe schnell die Wiener vom Regal in den Einkaufswagen gelegt, zügig bezahlt und saß bald darauf am heimischen Tisch.
Mit inzwischen weiter angewachsener Vorfreude habe ich dann mein erstes Würstchen aufgespießt, in Senf gestippt und herzhaft hineingebissen.
Und dann der unerwartete körperliche Alarmzustand: An meinem Gaumen explodierte ein höchst ungewohnter, fremder Lebensmittelgeschmack. Ich bekam Herzklopfen, starrte das Würstchen genauer an und - wahrscheinlich aufgrund erweiterter Pupillen - entdeckte ich im Würstchenquerbiss seltsame Kanälchen, aus denen eine wachsartige, milchfarbene Flüssigkeit, von undefinierbarer Herkunft quoll!
Der Alarmzustand steigerte sich: Innerhalb von Sekundenbruchteilen schossen mir sämtliche Geschichten über Supermarkterpresser durch den Kopf, die ich je gelesen hatte. Sollten die Würstchen vergiftet sein? Wenn ja, wodurch und von wem? Was müsste ich jetzt tun? Mein Gehirn stellte mir mein gesamtes, jemals im Leben erworbenes Wissen über Lebensmittelvergiftungen zur Verfügung und zwar gleichzeitig, wie mir schien. Gab es Gifte die so schmecken? Die Denkarbeit lief automatisiert auf Hochtouren, meine Temperatur stieg, die sich auch als Schweißperlchen auf meiner Stirn bemerkbar machte.
Ich ließ das Würstchen auf den Teller fallen und musste tief durchatmen. Dann die erlösende Erinnerung: Die Geschmacksrichtung war mir nicht unbekannt! Es war Paprika! Ich stand auf, ging zum Mülleimer und fischte die Verpackung heraus: „Wiener Würstchen mit Paprika und Käse“ stand gut lesbar auf der Verpackung.
Dann kam die Tiefenentspannung. Tja, ich hatte mich einfach nur vergriffen. Ich war zu hektisch, die Vorfreude so groß wie der Hunger und ich war lediglich unachtsam. Passiert. Dumm gelaufen! Die Würstchen wanderten in den Kühlschrank.
Was mich danach aber am meisten beschäftigte, war die Tatsache, dass eine ganz klar umrissene Erwartung an den Geschmack eines Würstchens, die derart unerwartet und hinterhältig enttäuscht wurde, so eine Befindlichkeit auslösen kann. Und dies, obwohl ich mir in meinem ganzen Leben noch nie Gedanken gemacht hatte, was genau ich von einem Wiener Würstchen erwartete.
Was ist mit Angelegenheiten, die wichtiger sind als der Geschmack eines Würstchens? Offensichtlich ist es wichtig zu wissen, was genau wir erwarten.
Welchen Geschmack Sie bei Würstchen bevorzugen, ist nun wirklich Ihre Angelegenheit. Aber ist Ihnen bewusst, was genau Sie von den Menschen in Ihrer Umgebung erwarten?
Was erwarten Sie z. B. von Ihrer Gemeinde? Der Moment lädt geradezu ein, sich Gedanken zu machen: Unsere Martin-Luther-Gemeinde Ahlem ist von Veränderungen betroffen. Herr Pastor Stefan Krause wurde unter Corona-Einschränkungen verabschiedet, unser neuer Pastor, Herr Dr. Johannes Neukirch erst kürzlich in sein Amt eingeführt worden. Es heißt ja, allem Anfang wohne ein Zauber inne. Möchten Sie ein Teil davon sein?
Was genau erwarten Sie von Ihrer Gemeinde? Mögen Sie sich einmal Gedanken machen? Was erwarten Sie, was vermissen Sie, welche Ideen haben Sie, die umgesetzt werden könnten? Schreiben Sie uns und lassen Sie uns als Gemeindevorstand daran teilhaben. Wir würden uns sehr freuen.
Übrigens finde ich inzwischen Wiener Würstchen mit Paprika und Käse gar nicht mehr so übel. Alles eine Sache der Erwartung eben.
Idil Rack